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Kommentar zum Film Elternschule

ACHTUNG, ich setze hiermit eine Warnung, es folgt die Beschreibung von Gewalt gegen Kinder.

Bitte lest hier nur weiter, wenn ihr euch dazu in der Verfassung fühlt. Es geht um den Film „Elternschule“ und die darin gezeigten Praktiken der Kinderklinik in Gelsenkirchen.

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elternschule

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Ein 2jähriger Junge wird von einer „Erzieherin“ auf dem Schoß fixiert, und zwangsgefüttert. Das Kind wehrt sich und weint.

Ein ca. 5jähriges Mädchen wird zum joggen bzw. schnellen Gehen gezwungen (sie muss an der Hand des leitenden Therapeuten laufen). Sie weint, klagt über Bauchschmerzen. Trotzdem muss sie weiter und weiter laufen.

Ein ca. dreijähriger Junge wird in einer Art „Kindergarten“ abgegeben von seinen Eltern, ohne vorherige Eingewöhnung, ohne Bezugspersonen. Er weint, schreit, liegt am Boden und die Betreuerin sitzt daneben und spielt mit Bausteinen. Nach unendlich scheinenden Minuten des Schreiens und Weinens „beruhigt“ sich der Junge. Er hat resigniert.

Ein 2jähriger Junge wird auf dem Schoß der Betreuerin fixiert, sie füttert ihn mit der Flasche und auch er wehrt sich und wird trotzdem weiter gefüttert.

Ein 5jähriges Mädchen will etwas vom Essen nicht probieren. Im Konflikt mit der Mutter wirft sie das Besteck nach ihr und haut sie. Daraufhin beendet die Mutter das Essen, räumt den Teller ab und lässt das Geschwisterkind am Tisch zurück, während sie mit der größeren Tochter den Raum verlässt.
Das Mädchen weint und fleht die Mutter an, dass sie doch noch essen darf. Sie bekommt zu dieser Mahlzeit nichts mehr.

Ein Mädchen (ca. 4 oder 5 Jahre), dass sich zu Hause wohl nur von Pommes und Chicken Nuggets ernährt, bekommt ausschließlich die Krankenhaus Kost vorgesetzt. Sie verweigert 8 Tage lang das essen, nimmt fast 2 kg ab. Kurz bevor sie sondiert erden soll, fängt sie an zu essen (Brötchen mit Butter/Wurst). Das Essenstraining findet ohne die Mutter statt, allein in einem Raum mit der Betreuerin. Der Mutter wird verboten, mit ihrer Tochter Hand in Hand durchs Krankenhaus zu laufen.

Ein ca. 1,5 jähriges Kind wird im Arztzimmer untersucht („um den Stress zu erhöhen“). Die Mutter muss abseits auf einem Stuhl sitzen. Sie wird angewiesen, je mehr das Kind sich wehrt, desto weiter soll sie mit ihrem Stuhl wegrücken
Als das Kind bei der Untersuchung durch 2 fremde Personen weint und sich mit aller Kraft wehrt, wird ihm eine Regulationsstörung attestiert.

Ein ungefähr 8 Monate altes Baby, was zu Hause mindestens 14 Stunden schreit, schläft nach dem 3. Tag des „Schlafverhaltenstrainings“ durch. Welche Methode hierbei angewendet wird, erfährt der Zuschauer nicht.

Mehrere Kinder sitzen mit 2 Erzieherinnen oder Krankenschwestern in einem Raum. Es wird nicht gesprochen oder sich bewegt. Geräusche und Bewegungen der Kinder werden unterbunden. Nach ein paar Minuten (wir erfahren nicht, wie lange die Kinder dort sitzen) sagt die Betreuerin „Die Zeit ist um“ und alle stehen auf und verlassen den Raum.

In der Mäuseburg, dem „Kindergarten“ der Klinik, wird das Bindungs- und Trennungstraining durchgeführt. Babys und Kleinkinder werden ohne vorherige Eingewöhnung abgegeben, die Mütter müssen sie zurücklassen und zum Frühstück gehen.

Einem Kind wird der Schnuller abgenommen, ein anderes, was hysterisch weint, wird nicht getröstet.

An der Tür der Mäuseburg ist ein Schild zu sehen. Kleine Teufelchen werden in die Mäuseburg getrieben, kleine Engelchen verlassen die Mäuseburg wieder.

An dieser Stelle könnte man denken und hoffen, dass ich mir das ausdenke. Leider weit gefehlt. Das alles ist Bestandteil des Films „Elternschule“.

Ein Programm im Gelsenkirchener Kinderkrankenhaus für Familien mit Kindern, die auffälliges Verhalten zeigen.

Der Film soll eine Dokumentation sein, jedoch wird an keiner Stelle eine Positionierung der Filmemacher und Autoren deutlich. Im Gegenteil, es wird dem Zuschauer nicht deutlich, welche Vorgeschichte die einzelnen Familien haben. Dass sie eine haben ist deutlich.

Die Eltern sind verzweifelt; sie hatten Fehlgeburten, Schreibabys, Kinder mit Neurodermitis, Kinder die nicht zunehmen uvm.

Doch anstatt den Eltern zu helfen, nach Ursachen und Gründen für das Verhalten zu suchen wird an den wehrlosesten unserer Gesellschaft manipuliert: Die Kinder müssen ihr Verhalten ändern und da heiligt der Zweck die Mittel.
In JEDEM anderen Beruf (Erzieher*in, Heilpädagog*in, Gesundheitspfleger*in, Altenpfleger*in) wären die oben genannten Praktiken ein Skandal, der durch die Presse geht und die Ausführenden würden fristlos entlassen.
Aber in der Kinderklinik kann man es mit den Kindern ja machen? Das verstößt gegen geltende Menschenrechte und diese Praktiken müssen verboten werden!
Im gesamten Team dieser Abteilung herrscht in Bild vom Kind, was wir alle gut kennen aus längst vergangen geglaubten Zeiten. Das Kind als böse, als manipulativer Tyrann, der über die Leichen seiner eigenen Eltern geht, um seinen Egoismus auszuleben. Das soll den Kindern ausgetrieben werden.
Ganz offensichtlich geht es um Führung und Macht, die Kinder sollen folgen und gehorchen. (Wo hatten wir das schon mal? Ach ja, ist ungefähr 90 Jahre her…)

Kinder die verzweifelt weinen „geben jetzt richtig Gas“, sie „schreien strategisch“, sie „lernen runterzufahren“ wenn sie offensichtlich resignieren. Sie nutzen weinen als Strategie, um die Eltern „weichzukochen“, sie „denken taktisch“ und ein Kind erbricht sich beim essen „auf Kommando, mit Ansage“.
Dieses Bild vom Kind und die dahinter verborgenen Zuschreibungen sind stecken geblieben vor ich weiß nicht wie vielen Jahren, jedenfalls haben sie mit den neuesten entwicklungspsychologischen Erkenntnissen über das kindliche Verhalten NICHTS, aber auch rein gar nichts zu tun!

Es werden sämtliche Schlussfolgerungen aus der Bindungsforschung, Entwicklungspsychologie und Pädagogik ignoriert und Symptome therapiert. Dabei wird mit Gewalt (!) an den Kindern manipuliert, bis diese schließlich aufgeben und dann als „geheilt“ entlassen werden.

Dabei ist für mich immer noch fraglich, woher das Schlafverhaltenstraining (SVT), Bindungs-und Trennungstraining (BTT), sowie Essverhaltenstraining (EVT) ihre Berechtigung nehmen.
Wie kann es sein, dass heutzutage diese Verfahren nicht nur übergreifend praktiziert werden, sondern von Krankenkassen bezahlt werden? Das ist staatlich geförderte Kindesmisshandlung.

Würden Eltern so mit ihren Kindern umgehen, das Jugendamt würde ihnen (zurecht!) die Fürsorge entziehen.

Ich möchte es an dieser Stelle noch einmal betonen, denn es scheint irgendwie in Gelsenkirchen in Vergessenheit geraten zu sein:

  1. Kinder sind Menschen!
  2. Die Würde des Menschen ist UN –  AN – TAST – BAR !
  3. Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung!

Leider scheint das auch in unserer Gesellschaft wieder mehr und mehr in Vergessenheit zu geraten. Anders kann ich mir nicht erklären, warum so viele Menschen im Kino lachten, als mir die Tränen in den Augen und das Entsetzen im Gesicht stand.

Wie es Herbert Renz Polster so treffend formuliert: „Schämen sollten wir uns, dass DAS die Hilfe ist, die wir den in Not geratenen Familien anbieten.“

In den ganzen Social Media Beiträgen und Kommentaren kamen nun auch vermehrt Stimmen von Eltern, die dort zur Behandlung waren und ganz zufrieden ihre Erfolge berichteten. Darüber kann und will ich nicht urteilen, denn ich habe nur das gesehen, was der Film gezeigt hat.

„Für jeden, der selbst Kinder hat, ist der Film ein Muss.“ Erklärt uns die Süddeutsche Zeitung und ich frage mich: Warum? Damit Eltern, deren Kinder normales Verhalten zeigen (denn es ist meiner Ansicht nach auch fraglich, was dort alles als Störung eingestuft wird und was tatsächlich normales, kindgerechtes Verhalten ist) ihre Kinder auf diese Art „therapieren“? Oder sie dort zur Therapie bringen?

Für mich bleibt ein entsetztes Gefühl, eine geplatzte Blase, denn ich dachte, wir sind schon weiter. Wir lassen Babies nicht mehr schreien, tragen und stillen sie nach Bedarf und finden gewaltfreie Wege, mit unseren Kindern umzugehen. Ich scheine mich zu täuschen, denn in einer Kinderklinik wird praktiziert, was vor dem Gesetz verboten ist und legitimiert, was die Moral und Ethik uns verbietet.

Ich weiß, dass sich viele Vereine und Gruppen schon gegen den Film positionieren und möchte euch einladen, euch auch zu engagieren. Ob ein Verbot der Verbreitung des Films der richtige Weg ist, weiß ich nicht, denn ich bin froh, dass die Öffentlichkeit nun erfährt, was dort für „Therapien“ stattfinden.

Ich werde mich dafür einsetzen, dass diese Art von Behandlung nicht länger praktiziert und von den Krankenkassen finanziert wird.

Auch bei Einfach Eltern, dem artgerecht-projekt, der Familienschule Dortmund, Nora Imlau, Bindungsträume und Sara Kulka könnt ihr euch informieren, welche Schritte nun folgen werden.

 

 

11 Kommentare zu “Kommentar zum Film Elternschule

  1. Doro

    Puh. Wir als Familie haben am eigenen Leib gemerkt, dass die Filterblase ganz schön klein ist. Wir sind schon mindestens 3 Familien bei uns in der Kita, die ihre Kinder aus unmöglichen Einrichtungen rausgenommen haben. Ich frage mich, wo so eine Haltung beim Fachpersonal herkommt? Und vor allem, was für die jeweiligen Kinder getan werden kann.

  2. Katrin

    Könnte man die Macher und die Klinik nicht anzeigen? Beim Hambacher forst hat das doch auch geholfen und ein Gericht hat die Abholzung gestoppt.
    Diesen Menschen gehört das Handwerk gelegt!

  3. Angela Wilde

    Guten Morgen! In der Ergotherapie gibt es die Verhaltenstherapie nach Janßen Stteit. Der Horror! Das ist dem hier beschriebenen sehr ähnlich und Kindsmißhandlung meiner Meinung nach. Wir praktizieren seit zig Jahren die Bindungspädagogik und “koorigieren” die Kinder sehr effektiv und ohne Gewalt. Die Menschen müssen bei sich im Sytem und in die Wahrnehmungssituation des Kindes anschauen. Ganz häufig geht es auch um Entwicklungsverzögerungen, das Kind KANN sich nicht altersgerecht verhalten! Das kann pädagogisch garnicht korrigiert werden, sondern benötigt Förderung. Und vor allem Bindung und einen liebevollen Blick auf das Kind. Ich werde diesen Film niemals anschauen. Wenn Sie mehr über unsere Art von “Behandlung” erfahren möchten, gerne Kontaktaufnahme. Herzliche Grüße, Angela Wilde

  4. Marion

    Wo ist dieser Film denn zu sehen? Ich würde mir lieber selbst ein Bild machen bevor ich einer subjektiven Beschreibung folge.

  5. Anja

    Ich arbeite seit 25 Jahren mit Kindern von 0 – 6 Jahren. So ein Handeln und die Haltung dem Kind gegenüber ist mir völlig fremd. Was ich in den Szenen zu sehen bekommen habe, erschreckt mich zu tiefst. Ich bin wirklich erschüttert. Schon alleine die Untersuchung beim Arzt ist unmöglich. So würde ich meine Tochter niemals untersuchen lassen. Niemals. Die Ess- und Schlaftherapie ist so unerträglich anzusehen. Wenn das Mädchen acht Tage (!!) nichts isst – unverantwortlich. Ganz abzusehen davon würde ich diesen Krankenhausfraß auch nicht anrühren. Wenn Kinder nicht essen steckt ein Trauma dahin. Eine Angst, ein Zwang, eine unverarbeitete Situation, die gelöst werden will. Diese “Therapeuten” haben nichts verstanden! In so einem Fall ist beispielsweise eine Familienaufstellung ein hilfreiches Werkzeug, um herauszufinden, was dahinter steckt und was im System Familie falsch läuft. Meine Tochter hat über Wochen im Kindergarten nichts mehr gegessen. Der Grund? Der Hase des Kindergartens verstarb plötzlich. Sie hat ihn jeden Tag gefüttert. Die Trauer und Angst hat ihr den Magen zugeschnürt. Geduld und Liebe waren hier die wichtigsten “Massnahmen”. Und diese “Pädagogen” traumatisieren die Kinder immer weiter. Bleibt abzuwarten, welche massiven Probleme und Essstörungen in der Pubertät zu Tage treten. Diese “Arbeit” gehört verboten. Schlimm, dass es in den Medien keine kritischen Berichte dazu gibt, sondern der Film hochgelobt wird. Erschreckend!

  6. Jenni

    Es ist einfach nur grausam, und ich finde es ein Armutszeugnis für die Bundesrepublik Deutschland, dass hier solche “Therapien” noch stattfinden dürfen und auch noch gefeiert werden.

    Leider habe ich auf den verlinkten Seiten keine Hinweise gefunden, wie es jetzt weitergehen soll. Da muss man doch irgendwas tun können. Ich bin gerade am Überlegen ein Mail an das Justizministerium zu schreiben. Die müssen da doch ne Meinung zu haben. Am liebsten würde ich aber auf die Straße gehen und für mehr Menschlichkeit protestieren. Das kann doch alles nicht wahr sein. :(

  7. Johannes

    Ich bin auch schockiert über all die positiven Reaktionen. Insbesondere da das alles ja eigentlich schon im Gesetz angekommen ist:

    BGB §1631 (2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.

    Bezüglich der Kommentare und des BGBs kann man eventuell bei
    https://www.programmbeschwerde.de/ Beschwerde über die mangelde Berücksichtigung dieser Rechtslage bei der Berichterstattung einlegen. Auch die Generalisierung von “Behandlungsmaßnahmen” als Empfehlungen an alle Eltern kann man kritisieren.

    Wen das Gesetz nicht schert, der möge sich doch diese Rede durchlesen:
    https://efraimstochter.de/167-Astrid-Lindgren-Niemals-Gewalt-Friedenspreis-des-Deutschen-Buchhandels.htm#content

    Gibt es jetzt einen Ort, wo Aktionen eventuell koordiniert werden?

  8. Wendt

    Hallo, ich möchte mich auch gegen die sogenannte Therapie engagieren. Als Verhaltenstherapeutin kann ich nicht fassen, dass Kinder auf diese Art und Weise behandelt werden. Da ist mächtig was schief gelaufen. Gut, dass es nun öffentlich ist und wichtig, dass es aufhört.
    Ich werde mich an die Psychotherapeuten Kammer wenden und auf Facebook eine öffentliche Stellungnahme posten, um noch mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Leider kenne ich auch keinen Weg, sich versammelt zu engagieren. Mir geht es weniger um den Film, als um die Therapie an sich.
    Danke, dass du das Thema aufgegriffen hast!
    LG Verena

    1. franzi Autor des Beitrags

      Hallo Verena,

      Danke für dein Engagement!
      Wenn du ein Statement verfasst hast, stell doch gerne den Beitrag auf öffentlich und schick mir den Link, dann teile ich es auch nochmal über meine Kanäle ❤️
      Liebe Grüße
      Franzi

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