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Das Erste Gesicht Auf Erden- Interview mit Björn Schönfeld

Das erste Gesicht 1Björn fotografiert im Geburtshaus Charlottenburg (© Herzogfotografie)

Sicher haben viele von euch schon Wind davon bekommen: Der Lüneburger Fotograf Björn Schönfeld ist vor wenigen Wochen mit einem tollen Projekt gestartet. Er will den Hebammen ein “Gesicht geben” und so dazu beitragen, auf die prekäre berufliche Situation der Geburtshelferinnen aufmerksam zu machen.

Björn hat das Projekt am 17. Dezember auf Facebook gestartet und bis heute sind fast 10.000 “LIKE”-Klicks zusammen gekommen. Er trifft mit seinem Projekt genau ins Schwarze und zwar genau zum richtigen Zeitpunkt. Die Verhandlungen um die Erhaltung der Geburtshilfe und Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Hebammen wurden in den Koalitionsvertrag aufgenommen, gerade jetzt, wo in diesem Jahr die Haftpflichtversicherungsprämie für freiberuflich arbeitende Hebammen wieder um 20 Prozent auf über 5000€ steigen soll.

Wir haben Björn bei der Arbeit im Berliner Geburtshaus Charlottenburg über die Schulter geschaut und Björn hat sich Zeit genommen, ein paar Fragen zu beantworten.

 

Kannst du etwas erzählen über dein Projekt „Das Erste Gesicht auf Erden“ erzählen?Wie bist du auf die Idee gekommen? 

Ich fange mal weiter vorne an…

Ich verdiene mein Geld hauptsächlich mit dem Fotografieren von Hochzeiten im Sommer, erfahrungsgemäß ist im Januar/Februar immer Flaute. Ich war also auf der Suche nach einem guten Projekt für den Jahresanfang. Ich wollte schon immer etwas in der Gesellschaft bewegen können (ich habe mal angefangen Lehramt zu studieren…) und dachte, es wäre doch super, wenn ich jetzt meine Fotografie dazu einsetzen könnte, etwas zu bewegen und zurück zu geben. Ich wusste allerdings nie genau, was das sein könnte.

Den Gedanken an das Projekt trage ich schon seit gut 1,5 Jahren mit mir herum. Ich habe eine Freundin, die ist Hebamme (Lena Starke, Hebamme und Mutter von 4 Kindern, Anmerkung d. Red.). Es muss so Ende November gewesen sein, da standen wir zusammen bei uns vor der Tür, hatten unsere Kinder abgeholt und Lena sprach mit uns wieder einmal über die Situation der Hebammen, die hohen Versicherungen und die ungewisse Zukunft als Alleinverdienerin für eine sechsköpfige Familie. Sie macht Nachtschichten und Rufbereitschaft, es ist eine krasse Anstrengung, die sie vollbringt. Ihr Mann ist seit 7 Jahren zu Hause und zieht die Kinder groß. Da machte es plötzlich KLICK in diesem Gespräch und ich sagte: „Lena, das ist es! Das ist mein  Projekt für den Winter!“ Dann sagte Micha: „Das Erste Gesicht auf Erden!“ Ich wusste sofort: Das ist es! Und das war es, von da an ging es dann alles ganz schnell.

Ich startete am 1. Dezember die Facebook-Seite und lud alle meine Freunde dazu ein und dachte mir, mal sehen, was passiert. Im Vorfeld hatte ich mich mit Lena und dem Team von den Elbhebammen um Ricarda Sitan getroffen und darüber gesprochen, in welche Richtung das Projekt gehen könnte. Wobei das noch wirklich offen ist; der wirkliche Weg entwickelt sich jetzt gerade erst.

Das Titelbild der Facebook-Seite ist der Inhalt von Lenas Hebammenkoffer, den ich bei uns auf dem Boden ausgebreitet und fotografiert habe.

Dann habe ich die Seite veröffentlicht und meine Freunde eingeladen. Es kamen so 10, 20 „Gefällt mir“-Klicks und ich dachte „Na das ist ja nett“ und dann stiegen die Zahlen plötzlich exponentiell, einhundert, fünfhundert, tausend. Es hörte gar nicht mehr auf. Ich war drei Tage lang erst mal nur damit beschäftigt Emails zu beantworten und den Ansturm irgendwie zu bändigen. Ich habe Anfragen von überall, bis in die Schweiz und nach Österreich, und bin total euphorisch.

Was ist dein Ziel mit dem Projekt?

Ziel ist auf jeden Fall, die ganze Problematik des Berufes aus den Hebammenkreisen heraus und in die gesamte Gesellschaft zu bringen. Ich will auf die vorhandenen Missstände im Hebammenberuf aufmerksam machen und eine Veränderung bewirken. Es ist im Prinzip eine Kampagne PRO HEBAMMEN, um den Beruf zu erhalten und für eine höhere Wertschätzung der Hebammen und Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Vergütung zu erreichen.

Denn nicht zuletzt ist es natürlich eine prima Öffentlichkeitsarbeit.

Ich möchte eine durchweg positive Darstellung, um  auch Menschen zu erreichen, die (noch?) nicht direkt in das Thema Schwangerschaft und Geburtshilfe involviert sind.

Wenn mit den Bildern klar wird, `Das sind nicht nur hübsche Gesichter, sondern starke Frauen, charismatische, erfahrene Personen´, wenn die ganzen Facetten und die Leidenschaft, die diese Frauen für ihren Beruf hegen deutlich wird, hoffe ich, dass die Leute denken „Das ist ja ´ne tolle Sache, das möchte ich unterstützen“.

Also die Verbesserung der Position der Hebammen ist das Hauptziel, was du erreichen möchtest?

Ja klar, das ist der Schwerpunkt. Für mich steht ganz klar als Ziel im Vordergrund die finanzielle Situation in dem Beruf zu verbessern. Aber auch, und ich denke, das ist der Weg dahin, die Anerkennung und die Wertschätzung des Berufs und der Frauen, die diesen Beruf ausüben in der Gesellschaft zu verändern.

Und deswegen ja auch der positive Aspekt bzw. die positive Herangehensweise.

Warum möchtest du gerade die Hebammen unterstützen?

Ich möchte auf die aktuelle Situation der Hebammen aufmerksam machen!

Schlechte Bezahlung der Hebammen, wenig bis nicht vorhandene Lohnsteigerungen und natürlich dieses exorbitante und logisch nicht zu erklärende Ansteigen der Haftpflichtprämie, das viele freiberuflichen Hebammen dazu zwingt, ihren Beruf, der oft auch ihre Berufung ist, aufzugeben.

Dadurch ist die außerklinische Geburtshilfe und damit die Wahlfreiheit des Geburtsortes nicht mehr gegeben. Und das ist meiner Ansicht nach eine gewollte Beschneidung des Rechtes der Frauen auf freie Wahl des Geburtsortes.

Ich überspitze das jetzt sogar mal: Es ist ein Stück weit ein Verbrechen an der Menschlichkeit und eine Beraubung an Freiheiten!

Außerdem ist der Beruf der Hebamme ein wirklich harter Beruf; wir leben nicht mehr in einer  Zeit, in der Mutter, Großmutter und Tante in der ersten Zeit für die werdenden Mütter und Familien da sein können und ihre Erfahrungen weitergeben, sondern ein ganz großer Teil wird eben von den Hebammen getragen, gerade in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt.

Das-erste-Gesicht-1Björn bei der Arbeit (©Herzogfotografie)

War das bei der Geburt deiner Kinder auch so?

Als wir damals mit unserem ersten Kind nach Hause kamen waren wir mit der neuen Situation völlig überfordert. Wir wussten überhaupt nicht, wohin mit uns, der Kleine schrie, es war alles ein Riesen-Chaos. Meine Frau hatte eine schwere Geburtsverletzung und wir riefen die Hebamme an, die 10 Minuten später bei uns war. Sie hat uns in dem Moment den Boden unter den Füßen wieder gegeben!

Das sind die Dinge, die früher von den Großfamilien geleistet wurden, das gibt es heute fast nicht mehr. Dafür gibt es die Hebammen.

Es finden rund um das Thema Geburt ganz viele wichtige, emotionale und gesellschaftsrelevante Prozesse statt, die meiner Meinung nach einfach nicht wegsterben dürfen. Und wenn diese Frauen ihren Beruf nicht ausüben können, dann führt das zu einer Verarmung in der Gesellschaft. Und das darf nicht sein!

Das-erste-Gesicht-12Geburtszimmer im Geburtshaus Charlottenburg (©Herzogfotografie)

Hattet ihr bei der Geburt eurer Kinder eine Hebamme?

Ja eine Beleghebamme.

Magst du etwas drüber erzählen, wie die Geburten verliefen? Wie hat eure Hebamme euch geholfen?

Wir hatten uns aus verschiedenen Gründen für die Geburt im Krankenhaus entschieden und wollten das gerne mit einer Beleghebamme machen. Meine Frau Daniela kannte eine Hebamme aus der Praxis, in der sie arbeitet; sie kannten sich seit 7 Jahren und es war klar, wenn es jemand macht, dann die Claudia.

Das war für uns der Kompromiss aus Geburtshaus und Krankenhaus.

Das Vertrauen in eine bekannte Person und gleichzeitig die medizinische Sicherheit für einen eventuellen Notfall?

Genau. Und als dann nachts um halb 1 die Geburt losging und wir Claudia anriefen, sagte sie: „Björn, das tut mir so leid. Ich habe gerade zwei Nächte durchgearbeitet. Ich kann nicht.“ Dann fuhren wir ins Krankenhaus ohne sie. Im Krankenhaus angekommen sind wir leider an einen Arzt geraten, der unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass ihm das gerade überhaupt nicht passt. Und die sehr junge Hebamme war zwar nett und zuvorkommend, hatte aber noch mehrere andere Frauen zu betreuen. Die Chemie zwischen ihr und Daniela stimmte einfach nicht, es hat alles nicht hingehauen. Letztendlich führte das Ganze dazu, dass der Arzt am Ende noch kräftig auf den Bauch meiner Frau drückte, den sog. Kristeller-Handgriff anwandte, was er nie hätte tun dürfen. Meine Frau hatte einen Dammriss vierten Grades. Sie musste nach der Geburt anderthalb Stunden operiert werden. Es war für Daniela und im Nachhinein uns alle keine schöne Erfahrung. Trotz allem war es natürlich sehr emotional, ich stand drei Tage lang unter Adrenalin und war im Hormonrausch.

Die Schwere der Verletzung, die Benommenheit der ersten Tage, das ganze Leiden, was damit zusammenhing, das war einfach hausgemacht. Unsere eigentliche Hebamme Claudia sagte nachher: „Oh Gott! Das hätte alles nicht sein müssen.“

Bei der zweiten Geburt war Claudia dann aber dabei und es war wirklich etwas ganz anderes. Es war eine ganz andere Geburt. Die erste Geburt fiel auch in einen Schichtwechsel und unmittelbar nach der Geburt verabschiedete sich die Hebamme mit den Worten „Meine Kollegin übernimmt jetzt“ und war weg. Sehr unpersönlich. Bei der zweiten Geburten wurden wir von Beginn der Wehen bis einige Stunden nach der Geburt von `unserer´ Hebamme betreut, es war ein völlig anderes Erlebnis.

Wir haben sozusagen beide Welten kennenlernen dürfen.

Das Erleben, wie wichtig die richtige Hebamme für den Geburtsverlauf sein kann war für mich auch noch ein Auslöser, warum ich sage, dass es wichtig ist, etwas zu tun.

Das-erste-Gesicht-6Noch ein “Erstes Gesicht” (©Herzogfotografie)

 

Was könntest du dir vorstellen, was aus dem Projekt werden könnte? Was möchtest du gerne aus dem Projekt machen?

Es zeichnen sich mittlerweile einige Dinge ab, es ist jedoch noch nichts Spruchreifes.

So viel kann ich schon verraten: es ist ein Versicherungsmensch an mich herangetreten zur Kooperation, eine Abgeordnete der Grünen kam auf mich zu mit der Überlegung eine Ausstellung zu finanzieren, der NDR hat gerade einen Beitrag gedreht, das Thema findet auf jeden Fall mediales Interesse.

Ich bin zu verschiedenen (Ärzte) Kongressen eingeladen, um das Projekt vorzustellen. Ich könnte mir vorstellen, dass es eine Ausschreibung geben wird, dass wir in der Politik nach Unterstützern suchen, die sich dieses Projekt auf die Fahnen schreiben. Oder dass wir eine Versicherung suchen, die bereit ist, etwas zu investieren um an den Berufsbedingungen der Hebammen etwas zu verändern. Mal schauen, was noch kommt. Ich könnte mir auch vorstellen, daraus ein Buch zu machen, eine Ausstellung oder sogar Plakatkampagne!

Wie organisierst du die Umsetzung? Wie schaffst du das alles?

Chaos! Viele Nachtschichten mit nur kurzen Unterbrechungen…

Im Moment mache ich im Prinzip nichts anderes, und zwar Tag und Nacht.

Im Moment finanziere ich alles noch selbst, und auch die Shootings zahle ich aus meiner Tasche. Einfach weil es mir so wichtig ist und am Herzen liegt. Über kurz oder lang werde ich wahrscheinlich die Unterstützung eines gemeinnützigen Vereins in Anspruch nehmen, um auch Spendengelder für das Projekt sammeln zu können.

So wird das Ganze dann nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Firmen interessant sein. An der konkreten Umsetzung arbeiten wir unter Hochdruck, sobald es da was gibt wird das auf der Homepage zu finden sein.

Ich habe sehr viel Unterstützung angeboten bekommen, unter anderem, das möchte ich gerne hier erwähnen, von Dominik Weber, der mir für Das Erste Gesicht direkt eine Webseite gebaut hat, die jetzt online ist. Diese Plattform wäre dann auch für eventuelle Sponsoren oder die Hebammenverbände interessant.

Hast du mit dem Interesse und der Begeisterung für dein Projekt gerechnet?

Niemals. Das ist tatsächlich total verrückt. Ich dachte damals, vielleicht fotografiere ich in den nächsten 2 Monaten so 10-20 Hebammen… Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet und bin total überrannt worden! Es sind mittlerweile knapp 90 Gesichter und wir sind noch lange nicht fertig. Ich habe das Gefühl ich könnte Ein-, Zwei- oder Zehntausend Frauen fotografieren.

An den gewaltigen Reaktionen habe ich gemerkt, was für ein Schmerz da ist, nicht nur bei den Hebammen. Ich habe tatsächlich auch Emails von den Müttern und auch vielen Vätern bekommen, von vielen Frauenärzten und Geburtshelfern.

Welche Unterstützung brauchst du noch?

Nachdem ich jetzt anfange, das Ganze groß zu spinnen und denke, halbe Sachen funktionieren da nicht. Wir müssen jetzt richtig was bewegen!

Ich will in den nächsten Wochen 5 bis 10 Städte in Deutschland anlaufen, da muss ich für dieses Arbeitspensum eine Entlohnung haben, die es mir und meiner Familie ermöglicht, davon zu leben. Ich brauche also dringend finanzielle Unterstützung um mindestens ein Vierteljahr konsequent an dem Projekt arbeiten zu können.

Möchtest du noch etwas hinzufügen?

Ich bin sprachlos und begeistert über die ganze Unterstützung und danke allen, die das Projekt vorantreiben und weitertragen!

Vielen Dank für das Interview, Björn! 

Das-erste-Gesicht-9Fotograf Björn Schönfeld mit Hebammen im Geburtshaus Charlottenburg (©Herzogfotografie)

Für mehr Infos, wie ihr Björn unterstützen könnt, besucht seine Seite, Das Erste Gesicht und teilt das Projekt auf Facebook.

 

 

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